Papier und Tinte

 2011: Kleiner Prolog

 

Wir saßen auf einer einfachen Parkbank in Venedig und die Sonne versank als roter Feuerball im Meer. Sie legte ihren Kopf auf meine Schulter und ich langsam meinen Arm um sie. Wie im Film sah ich uns nun aus einer Perspektive von hinten. Was für ein romantischer Anblick...

 

Zu schön, um wahr zu sein? Ja, war es. Ich habe geträumt. Und mir ordentlich den Kopf gestoßen. Mein Bett steht nämlich an einer Schrägdecke. Wer hier plötzlich aufwacht und aufspringen will kann sich darum auch mal die eine oder andere Beule zuziehen. Ich musste schmunzeln. Was habe ich gerade geträumt? Selten kann ich mich daran so gut erinnern. Meist träume ich gar nicht oder weiß nicht mehr, was ich geträumt habe, was ich sehr bedauere. Vielleicht liegt das daran, dass ich zu viel nachdenke. Ich denke wirklich sehr viel nach.

 

Nach dem Lachen über die Situation und der kleinen Portion Selbstironie tritt schnell das depressive Gefühl der Wertlosigkeit ein. Unbegründet ist das nicht: Ich bin 18. Und noch keine Freundin, kein Kuss und erst recht kein erstes Mal. Brauchte ich das überhaupt? Die Frage stelle ich mir oft. Ich weiß es nicht. Immer wenn ich wieder herbe enttäuscht war von „der“ Liebe, dann war sie für mich monatelang ein entbehrliches Abfallprodukt der Menschheit, dass nur für den Erhalt der Menschheit notwendig, aber für den Einzelnen überflüssig ist. Doch dann passiert immer das Gleiche: Ich verliebe mich erneut, schwebe wochenlang auf Wolke 7, wage die ein oder andere Annäherung, gehe dann aber nicht weiter. Entweder, weil ich leicht zurückgewiesen wurde oder weil ich freiwillig den Rückzieher mache, um nicht enttäuscht zu werden. Selbstverletzung tut weniger weh - glaub ich zumindest. So weit bis zu dem Punkt, wo ich vielleicht eine realistische Chance hatte, bin ich nie wirklich angekommen. Es platzt immer weit bevor es beginnt.

 

Eigentlich habe ich mich schon sehr früh für Mädchen interessiert. In einem Alter, in dem selbst Liebe ein undefinierter Begriff war, schaute ich schon in der Grundschule Mädchen hinterher. Damals wie heute nur unauffällig, schüchtern und mit bescheidenen Gedanken. Gerne malte ich mir zu Hause dann was aus, stellte mich mit ihr schon in ferner Zukunft (bis hin zur Hochzeit und Familiengründung!) vor und wurde dann doch wieder durch die Realität auf den Boden geholt. So ging es bisher immer. Bin ich noch ein Kind?

Was bleibt sind die Erinnerungen, die ich mit Papier und Tinte festgehalten habe. Deshalb sind es keine Ex-Freundinnen, sondern nur Mädchen, die ich nur auf Papier und Tinte und hier später nun am PC in Schrift "halten" konnte, die ich meist sehr geliebt habe, aber die oft nicht einmal wirklich was von mir wussten...

Alles, was wir geben mussten (Film)
Alles, was wir geben mussten (Film)

Sommer 2010: Auf gute Nachbarschaft

23.06.2010 Heute bin ich mit ihr und ihrer besten Freundin „spazieren“ gegangen. Dabei haben wir ihre kleine Schwester zu ihrer Spielfreundin gebracht und sind anschließend zu einem Discounter gegangen, weil sie ein Geburtstaggeschenk für ihre Lehrerin kaufen wollte.

 

In einer Gruppe ist es immer schwierig. Mag vielleicht auch an mir liegen, aber ich wage in einer Gruppe nichts. Hin und wieder waren ich und sie alleine, dann hab ich mich auch ein wenig an sie ran getraut. Wenn ich sie sie hin und wieder sehe, bin ich beeindruckt: Sie ist wirklich hübsch. Sie spricht häufig von irgendwelchen Jungs, die sie nicht hübsch findet, aber gelegentlich auch von anderen, die ihr zu gefallen scheinen. Ist ein wenig schwierig, denn ich kenne kaum einen ihrer Freunde und Mitschülern, weil ich auf eine andere Schule gehe.

 

Als ich so an der Kasse stand, habe ich sie immer wieder angeschaut. Ihr beste Freundin ist Geld abholen gegangen, es blieb also nicht viel Zeit alleine. Sie schaut einen auch immer so nett an. Ich half ihr beim Einpacken der Sachen in die Tüte.

 

Als ihre Freundin nach Hause ging, bat ich sie, noch zu mir zu kommen. Ich nannte den Vorwand, sie müsse sich unbedingt mal die Französischlektüre ansehen, die ich gelesen hatte. In Wirklichkeit wollte ich sie einfach bei mir haben.

 

Ich hab sie mir auf den Schoß gesetzt und ihr die Lektüre gezeigt. Anschließend haben wir über unsere beruflichen Ziele geredet. Sie überlegt, Rechtsanwältin zu werden. Ihr fiel die Lektüre hin und als ob das eine Katastrophe wäre, stand sie schlagartig auf und hob sie auf, setzt sich danach wieder auf meinen Schoß. Sie war nicht sonderlich schwer, ich legte meinen Arm um ihren Rücken, streichelte sie mit der Hand. Ihr schien das auch irgendwie zu gefallen, zumindest sagte sie nichts dagegen oder setzte sich auch nicht weg.

 

Dann kam aber leider ihre Freundin rein und wie ein Schlag verflog alles. Sie musste unten geklingelt haben und mein Vater hat ihr wohl aufgemacht. Sie und ich standen schnell auf. Nichts deutete darauf hin, dass wir uns eben noch so nahe waren - waren wir das?

 

Irgendwann sind sie dann auch gegangen. Ich hab ihr noch einmal gesagt, sie solle nächste Woche zu mir kommen. Ich drückte sie fest an mich. Ich zähle die Tage.

 

Edit: Was ich nicht wusste ist, dass sie vergeben war. Sie hatte mir über zwei Jahre lang ihre Beziehung verheimlicht und sie erst zugegeben, als sie schon lange wieder Single war. Schon kurze Zeit später war sie wieder vergeben. Ich bin bis heute mit ihr sehr eng befreundet. Ich hatte nie eine realistische Chance, weil ich für sie immer nur eine Art Bruder war. Ich habe mich daran gewöhnt und sie irgendwann auch als Schwester gesehen.

Butterfly Effect (Film)
Butterfly Effect (Film)

Winter 2010: Mit goldener Stimme

Ich ertappe mich immer wieder bei dem Versuch, eine Art Liebestagebuch zu schreiben, dessen Ende der Kapitel ich nie absehen kann. Denn es ist ja meines. „Diesmal wird es etwas. Diesmal wirst du es später stolz überfliegen können und sagen: So begann es – und so schön ist es heute!“. Doch eigentlich wird die große Hoffnung, die sich dahinter verbirgt, niemals wahr.

 

Was soll ich auch tun? Ich fühle manchmal, als wäre ich bloß ein Mensch des Alltags. Draußen ein Kontakt. In der Schule ein Mitschüler. Bestenfalls ein Freund. Doch mehr auch wieder nicht. Denn niemand kann und mag sich eine Beziehung mit dem Alltagsmensch vorstellen? Ich möchte nicht in Verzweiflung und Pessimismus versinken. Diesmal soll es wirklich was werden. Diesmal kann es auch was werden. Diesmal muss es - nein, müssen kann es nicht.

 

„Da ist dieses eine Mädchen.“, steht so oft bei anderen auf der Profilseite. In dem sozialen Netzwerk mag es das eine sein, doch in Wirklichkeit waren es schon viele. So sieht es zumindest bei ganz vielen aus. Bin ich neidisch? Vielleicht.

 

Sie ist zurückhaltend, fast schüchtern. Doch spricht man sie an, so ist sie lange für ein Gespräch da. Sie ist wirklich nett. Und ich finde sie auch hübsch. Vielleicht steigere ich mich gerade in meine Verliebtheit rein, indem ich sie so beschreibe, doch ist sie wirklich ... unbeschreiblich.

22. November 2010 Heute hatten wir die Französischklausur zurückbekommen. Es gab einige schlechte Noten. Ich hatte eine drei und vergaß die Klausur sogleich wieder als das Mädchen neben mir wohl die fünf erhielt, denn ich verstand nicht, weshalb sie hinausging und wenig später mit von Tränen erröteten Augen wieder hineintrat. Ich dachte, sie müsste mal eben kurz. Und als sie wiederkam, glaubte ich sie hätte irgendein privates Problem zu bewältigen.

 

Ich traf sie auf dem Gang wenig später und fragte sie, was geschehen sei. Sie erzählte mir, dass sie die fünf habe. Ich versuchte sie zu trösten, indem ich ihr sagte, dass sie doch in den anderen Fächern äußerst gute Noten habe. Doch das schien sie wenig zu beruhigen. Sie ist sehr still im Unterricht. So wie jetzt auch.

 

Ich hatte sie angesehen. Wir sprachen nicht mehr. Sie wartet noch auf ihre Schwester. Und plötzlich ein Zittern!? Ich wunderte mich. Es war ein Schauer, der ihr über den Rücken lief. Was war es, das sie zitterte? Ich fragte sie, ob sie fror. Sie meinte: „Ja, ein wenig“ und ich antwortete lächelnd, während wir getrennte Wege gingen, dass es nicht mehr Sommer sei und sie sich was Wärmeres anziehen müsste.

 

Sie ist so einzigartig.

Eiskalte Engel (Film)
Eiskalte Engel (Film)

My simple thoughts

 

Nicht, dass ich darüber Statistik führen möchte, aber: wie selten begegnet man noch einem Mädchen mit Charme? Selten bis nie. Zumindest in der Schule eine Seltenheit. Da ist es doch bemerkenswert, dass ich genau solch ein Mädchen traf.

 

Sie wird nicht beachtet. Zumindest nicht unter Jungen. Was nützt einem Mädchen heute noch Charme und Eleganz, wenn der „Wert“ an dem Äußerlichen gemessen wird? Wert. Ein sonderbarer Begriff. Aber kein falscher, denn: sie werden gewertet. Nach Brustgröße und Hintern. Es mag absurd klingen, es ist aber wirklich wahr.

 

Doch ich muss doch eingestehen, dass auch sie mir nie aufgefallen ist. Und das, obwohl sie mich all die Jahre „begleitet“ hat. Sie war zuvor auch schon auf derselben Schule gewesen, wie ich. Sie war im Chor, mit dem ich zusammen aufgetreten bin. Sie war überall, verzauberte jedoch niemals jemanden. Das gleicht mir. Verzauberung mag märchenhaft und kitschig klingen, aber wie sonst soll man das überwältigende Gefühl der Liebe beschreiben?

 

Bin ich in sie verliebt? Ich weiß es nicht. Ich habe keinen großen Liebeskummer. Zumindest nicht den, welchen ich damals für andere Mädchen empfand. Vielleicht entsteht der ja auch erst bei dem Gefühl der Unerreichbarkeit. Vergleiche mit dem Internet sind nie ganz treffend, schließlich ist all das, was im Internet steht, virtuell und wie so oft entspricht die Virtualität nicht der Realität. Doch muss ich dazu die zahlreichen Forum-Kommentare berücksichtigen. Die Menschen trauen ihren Liebeskummer nicht mehr ihrem besten Freund oder ihrer besten Freundin an – sie tun es online und anonym. Aufgrund der Anonymität kommt auch oft Zweifel bezogen auf die Seriösität auf. Doch beschreiben die Menschen, wenn sie Liebeskummer haben, immer die unerreichbare Liebe. Fast wie bei Minnesängern. Doch diese lyrischen Werke wurden fast ausschließlich von bezahlten Poeten verfasst, die manchmal selbst keine Liebe erfahren durften.

 

Wenn man sich also dieses Mädchen anschaut. Sie ist so offen und nett. Es ist doch nichts dazwischen. Keine Barriere. Ich kann jederzeit zu ihr hin und mit ihr reden. Niemand hindert mich dabei. Niemanden stört es, niemanden fällt es auf! Das ist das Schöne. Unerreichbarkeit entsteht bei der großen Beliebtheit. Ein bekanntes Mädchen, heimlich von vielen geehrt, ist unerreichbar. Du kannst nicht mit ihr irgendwo stehen und reden, ohne dass es auffällt. Sind es Neider, die dann dazu kommen und kommentieren? Oder bespotten sie es aus reinem Hass, den sie bei allen männlichen "Konkurrenten" empfinden?

 

Die extreme Coolness ist bei Mädchen keine Seltenheit. Eine große Arroganz zwischen allem und jedem. Du musst sie nicht nur kennen, sondern auch mit ihr befreundet sein, um sie morgens als Begrüßung umarmen zu dürfen.

 

Sie tut niemanden umarmen. Denn es beachtet sie ja auch kaum jemand. Wobei – bei mir tut es ja auch kaum einer. Warum also nicht? Ach bitte, gib mir nur eine Chance!

27. November 2010 Es ist schwierig. Was soll ich nur tun? Vielleicht auf andere Dinge konzentrieren. Auf ganz andere Dinge. Sie ist nicht alles. Ich werde noch viele andere Mädchen kennen lernen. Das beweist ja meine Erfahrung.

 

Sie will an einem Casting an unserer Schule teilnehmen. Eine Talentshow. Ich könnte auch daran teilnehmen, doch da scheint es Probleme zu geben, denn die Anmeldefrist ist zu abgelaufen. Was nun? Man kann sich noch über Umwegen nachträglich anmelden. Doch der Aufwand ist ihr sicher zu viel. Es wird wohl nicht klappen…

03. Dezember 2010 Doch es klappt! Sie und ich – wir haben uns angemeldet. Das heißt sie. Und ich. Nicht sie und ich. Noch nicht sie und ich. Niemals sie und ich?

Edit: Lange Zeit habe ich sie noch gesehen, schließlich war sie in meiner Stufe. Ich habe jedoch kaum noch mit ihr Kontakt gehabt, obwohl sie wie ich die folgendenen Jahre wie 2010 immer am "Casting" teilgenommen hat. Es wurde nie was zwischen uns.

Frühling 2012: Das Mädchen mit dem Akzent

Fotografie von Berenice Abbott
Fotografie von Berenice Abbott

 4. März 2012

 

In meinem Tanzkurs ist mir ein Mädchen aufgefallen, dessen Namen mir leider entfallen ist. Sie hat langes, braunes Haar, ein herzliches Lächeln und erzählt gerne und viel. Ich könnte mich stundenlang mit ihr unterhalten.

 

Sie ist mir schon zu Beginn aufgefallen, allerdings kommt sie nicht immer zu unserem Tanzkurs am Samstag und ein paar andere Jungs zeigten auch ganz offen Interesse an ihr. Zumindest glaubte ich das.

 

 

Ich hatte wenig die Gelegenheit mit ihr zu tanzen bisher, weil Lisa die Tanzpartnerin war, die mich häufig wählt. Nun frage ich mich, ob es ein Fehler war, L. hinzuzuziehen. Schließlich reduziert sie die Wahrscheinlichkeit, mit ihr tanzen zu können.

 

Ich mag sie einfach. Ich bleibe aber auf dem Boden und scheue davor von Liebe zu sprechen. Ich gehe diesmal mit viel geringen Erwartungen an die Sache. Ich will nicht noch mal enttäuscht werden, der Schlag der Enttäuschung ist einfach zu hart.

 

Was ich an ihr mag, ist ihr leichter Akzent. Sie ist in Texas, Amerika geboren und in Mexiko aufgewachsen. Sie hat mir viel aus ihrem Leben Übersee erzählt und ich habe ich gerne zugehört. Sie erzählt wirklich gerne und versuchte erstaunlich gut immer das Gespräch am Laufen zu halten, einfach dass wir nie schweigend zusammen saßen. An der Bushaltestelle vor den anderen war sie noch recht zurückhaltend, aber ich merke wie sie auftaute, je mehr ich sie nach ihrer Vergangenheit fragte. Sie hatte viele Einzelheiten noch genau im Gedächtnis.

 

Sie scheint eher in bescheidenen Verhältnissen zu leben. Aber sie wohnt in meiner Nähe. Und das ist sicher ein Vorteil. Ich denke, ich werde sie an einem freien Wochenende mal zu einem DVD-Abend einladen. Ich hatte im Internet gelesen, dass das einen schon sehr nahe bringen kann - ob das stimmt? Sie ist einfach sehr natürlich und ihre Art sich mit anderen zu unterhalten ist offen und herzlich.

Mein erstes Date...

Heute, am 02. April 2012, dem ersten Montag der Osterferien habe ich mich mit A. N. getroffen. Ich weiß nicht, ob man es als erstes Date bezeichnen kann. Aber ich habe es eigentlich zu einem gemacht.

 

Ich hatte eigentlich vor, keine (!) große „Vorarbeit“ zu leisten. Ich wollte die ganze Sache absolut locker angehen und dachte an eine „Win-Win-Situation“: Wenn ich es schaffe, sie als Freundin zu bekommen, habe ich gewonnen. Wenn nicht, egal, ich bin um eine Erfahrung reicher geworden. Wobei ich das immer so locker sage, aber innerlich bleibt die Anspannung.

 

Um Erfahrungen bin ich tatsächlich reicher geworden, aber nicht nur, weil ich mir zahlreiche Dating-Tipps im Internet durchgelesen habe, sondern weil mir auch direkt Fehler aufgefallen sind, die ich begangen habe.

 

Dann habe ich aber doch viel „Vorbereitung“ gemacht; beispielsweise habe ich mir zum ersten Mal Make-Up (bzw. Abdeckstifte) gekauft. Als Mann ist das schon eine komische Sache. Der erste Stift war ein Fehlkauf, der Farbton zu dunkel (= 1,99€ für die Tonne, schade). Am nächsten Tag bin ich darauf noch einmal zur Drogerie und habe einen helleren Ton gekauft. Es ist nicht einfach und naja egal, jedenfalls habe ich mich bemüht, die Rötungen die ich im Gesicht habe zu verdecken. Mit bescheidenem Erfolg. Eigentlich absolut unsinnig, wo ich doch selbst Make-Up nicht sehr mag. Ich werde das nicht noch mal probieren.

 

Dann hatte ich noch gelesen, dass man auf jeden Fall eine Rose kaufen sollte. Ich fand das keine schlechte Idee, aber es war doch irgendwie sehr peinlich und albern. Ich hielt die Rose immer mit dem Kopf nach unten, doch erkannte jeder sofort, was ich da in der Hand halte und ich habe sogar mehr oder weniger Kommentare zu hören bekommen – wobei ich teilweise nicht sicher weiß, ob diese auch wirklich direkt an mich gerichtet waren. Vor dem Hochhaus wo sie wohnt habe ich gewartet. Auch hier begegneten mir lächelnde Blicke, die verrieten, was die Unbekannten dazu dachten. Eigentlich konnte mir das alles egal sein, aber zur Sicherheit hatte ich nachher die Rose auf dem Weg zu ihr doch mit einer Plastiktüte verdeckt. Wie soll das nur so gehen, wenn es mir schon peinlich ist, eine Rose an ein Mädchen zu verschenken? Es ist wirklich schwer.

 

Ich erinnere mich an all die musternden Blicke, zugegeben manchmal auch von mir, wenn ein Pärchen Hand in Hand über den Schulhof ging. Es gehört eine Menge Mut dazu. Nur die wenigsten haben das wirklich drauf, weshalb sie sich meist auch nur mit „schnellen Nummern“ begnügen. Mein Geschmack ist das allerdings überhaupt nicht. Ich möchte wahre Liebe und kein One-Night-Stand. Manchmal scheint es mir, als sei ich in der falschen Zeit geboren.

 

Ich hatte mich gerade auf eine Bank hingesetzt, als sie rauskam. Ich hatte sie zunächst nicht bemerkt, weil ich auf mein Handy geschaut habe. Dann kam sie mir lächelnd und winkend entgegen. Mir wurde auf einmal ganz flau im Magen. Aufregung pur! Ich stand auf, lächelte und sagte: „Weißt du warum ich wollte, dass wir uns hier treffen und nicht direkt beim Eiscafe?“ – Rhetorische Frage, sie verneinte – „Weil ich dir zunächst das geben wollte!“. Ich hielt ihr die Rose hin. Sie nahm sie dankbar an und ich dachte in dem Moment: „Ja, das ist eine gute Idee gewesen“. Etwas überrascht sah sie mich nun an. Hatte sie damit gerechnet, dass ich das scheinbar nur freundschaftliche Treffen, dass ich durch eine Cola, die ich ihr beim Tanzen ausgegeben hatte vereinbart hatte zu einem Date machen werde? Ich glaube ja. Sie war gut angezogen, hatte soweit ich das beurteilen kann lange vor dem Spiegel gestanden.

 

Für meine einleitenden Worte könnte ich mich im Nachhinein ohrfeigen. Es war wirklich nicht die klügste Wortwahl, kam einfach komisch daher. Aber sie machte das Beste daraus, zu meinem Glück. Ich erklärte ihr, die Rose brauche Wasser und sie sollte sie besser direkt in ihr Zimmer stellen. Sie zögerte und ich wusste nicht warum. „Ich darf keine Besucher in die Wohnung lassen“, erklärte sie mir. Das sei kein Problem, antwortete ich ihr, ich warte draußen. Das schien sie zu beruhigen. So liefen wir zum Hochhaus und ich wartete vor dem Aufzug auf sie. Der Grund weshalb ich sie dazu „drängte“, die Rose in die Wohnung zu bringen, war wieder, dass es mir einfach peinlich gewesen wäre, wenn man uns so gesehen hätte im Eiscafé. Es wäre jedem offensichtlich gewesen, dass das ein Date ist. Ohne Rose aber konnte man Fremden glaubhaft vorgaukeln, wir seien nur Geschwister oder was weiß ich. Auch hier komme ich wieder rüber, als hätte ich ein ganz schwaches Selbstbewusstsein. Ich würde selber sagen: Ich habe einfach nicht den Mut, nicht die Standfestigkeit, den andere vielleicht haben, wenn sie Mädchen ganz offensichtlich und irgendwie billig auf einer Party anmachen. Das könnte ich vermutlich mein ganzes Leben lang nicht.

 

Schon auf dem Weg zum Café hatten wir uns lange unterhalten. Der Weg war nicht lang. Dort angekommen, traf ich eine ehemalige Mitschülerin aus meiner Stufe, die dort aushalf. Die schaute mich an und durchblickte sofort die Situation. Und in diesem einzelnen Fall war es mir überhaupt nicht peinlich, nein ich verspürte sogar ein wenig Stolz! Frech grinste ich zurück. Das hätte die wohl nicht gedacht, dass ich so einfach ein Date haben kann. Oder dachte sie schon, wir wären zusammen?

 

Beim Ausziehen der Jacke merkte ich sofort, dass ich besser auch einen Pullover angezogen hätte. Erster Fehler, denn sie hatte einen an und meine schmalen Arme waren so ganz sichtbar... ich versuchte sie zu verdecken, sie schräg zu halten (das hatte ich im Spiegel angesehen, da fällt einem am Wenigsten auf, dass ich dünne Arme habe) – aber das führte letztendlich dazu, dass ich die Arme verschränkte.

 

Nun, das ist schon der zweite "Fehler": Eine abwehrende, falsche Haltung, aus der ich mich später zu lösen versuchte, aber es war nicht leicht. Wäre ich doch einfach normal ernährt, verdammt noch mal! Seit Wochen versuche ich nun schon zuzunehmen, aber es klappt einfach nicht, ich bleibe immer bei ca. 53 Kilogramm, viel zu wenig für einen achtzehnjährigen jungen Mann.

 

Fehler Nr. 3 war dann, dass ich einen großen Eisbecher bestellte, in der Annahme, sie würde das auch tun. Aber falsch: Sie bestellte einen Milchshake. Und da saß ich nun vor einer riesen Eisschale und sie nur einen Milchshake. Bescheuerter hätte es wohl kaum laufen können. Naja ich jedenfalls zwang mir dieses verdammte Eis rein, obwohl ich wirklich überhaupt keinen Hunger auf Eis hatte. Und dabei sich noch absolut beherrschen, als ob es ein Genuss wäre, das Eis zu essen. Überhaupt esse ich nicht gerne, wenn einer mir auf die Finger schaut und selber dabei nichts isst. Zum Schluss habe ich genau so viel gegessen, als das der Rest nur als „Anstandsrest“ bezeichnet werden konnte und in die Tonne landen "durfte". War natürlich schade um das Geld, aber das ergibt sich nun mal aus dem Blödsinn, den ich trotz allem alleine zu verantworten habe.

 

Jedenfalls haben wir uns richtig gut unterhalten. Geredet und geredet. Es gab kaum Pausen, immer viel einem von uns was ein, was zum Gesprächsthema gemacht werden konnte. Dabei war das rückblickend ein rein freundschaftlicher Smalltalk. Ob das so gut war? Letztendlich waren wir beide nicht so auf Date eingestellt, was einerseits auch gut war, da es unsere Gespräche nicht verklemmte und nicht zu irgendwelchen Fragekatalogen verschob, doch war es damit andererseits kein wirklicher Flirt. Wir unterhielten uns einfach wie beste Freunde. Ist das richtig so? Ich weiß es nicht. Ich habe Erfahrungsberichte gelesen, wo es heißt, man habe sich viel einfach über Gott und die Welt ausgetauscht und sei dann so zusammen gekommen. Andererseits heißt es bei den Date Tipps oft: "Verflechten Sie gekonnt Komplimente in ihre Gespräche." Das ist mir nicht wirklich gelungen. Eigentlich habe ich kein einziges wirkliches Kompliment gegeben, sondern mich einfach nur unterhalten. Ich wüsste spontan auch nur eine Situation, in der sie lange ihr Haar ausschüttelte, wo ich vielleicht hätte sagen können: Du hast schöne Haare. Aber irgendwie bin ich auf sowas nicht gekommen und die typischen Komplimente kommen mir irgendwie immer viel zu simpel rüber, als hätte ich sie direkt irgendwo kopiert. Aber ein richtiges Kompliment, das genau auf sie zugeschnitten ist, fällt mir einfach nicht spontan ein. Ich hatte auch eher gehofft, wir würden mal so ein Moment der Ruhe haben, wo ich vielleicht so ein kleines indirektes Liebesgeständnis gegen könnte, aber man soll damit ja auch immer schön warten und auch erst ab dem Dritten Date küssen etc. – vielleicht war es auch gut so, dass es einen solchen Moment nicht gab, weil ich ihn vielleicht ordentlich vermasselt hätte.

 

Wir sind jedenfalls nach dem Eis essen noch ca. 1 Stunde spazieren gegangen. Absurd hätte ich das früher gehalten, aber es macht schon Sinn, einfach für den Austausch. Es fehlte nach wie vor nicht an Gesprächsstoff, im Gegenteil: Wir redeten so viel, sodass ich eigentlich gar nicht weiß, was wir im Einzelnen genau besprochen haben. Auf jeden Fall war es immer ein Smalltalk, nie ging das mal in die Richtung Liebe oder Zweideutigkeiten. Wie soll man auf sowas auch nur hinleiten? Muss man das wirklich überhaupt?

 

Irgendwann haben wir uns mal auf eine Bank hingesetzt. Vielleicht war das der Fehler Nr. 4. Denn sie setzte sich bemerkbar weit von mir an die äußerste Kante. Wollte sie etwa, dass ich sie auffordere, sich näher an mich zu setzten? Denn genau das tat ich. Ich legte mehrmals ihren Arm um ihre Schulter, sie wies mich auch nie ab, aber sie schien es wohl mehr zu dulden als zu mögen (?). Zumindest kam darauf keine Reaktion. Deshalb ließ ich es wenig später auch ganz bleiben. Als ein unbekannter Typ um die Ecke ging, wollte sie plötzlich aufstehen. Entweder ihr war peinlich, dass ich meinen Arm um ihre Schulter gelegt hatte oder aber sie hatte einfach keine Lust mehr mit mir auf der Bank zu sitzen. Beide Möglichkeiten sind schlecht für mich. Aber was die Zeit betraf, so sah ich das auch ein. Denn zwar würde ich sie am liebsten den ganzen Tag für mich „beanspruchen“, doch durfte so ein erstes Date bloß nicht zu lang werden, sonst verliert es seinen Reiz. Das zumindest hatte ich gelesen. Darum gingen wir Heim, Richtung Hochhaus, wo sie wohnt.

 

Kurz vor dem Eingang des Hochhauses versuchte ich mich dann doch einmal mit dem Flirten: „Weißt du was ich mir jetzt wünsche? – Das Sekunden Stunden dauern!“. Naja, das nahm sie dann auch mal wieder freundschaftlich. Ich weiß gar nicht, was sie genau darauf geantwortet hat, aber ich war so verwirrt, dass sie nicht auf die aus meiner Sicht klare Anmache reagierte, dass ich das daraufhin auch zu einem Witz machte, sodass ich das nicht als versuchten Flirt, sondern als kleinen Geck abschließen konnte. Zumindest nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte.

 

Zum Abschied bekam ich eine lange Umarmung. Ich würde sagen, bemerkbar lang, aber kaum länger als bei einer guten Freundschaft üblich. Heutzutage umarmt und küsst sich ja alles, was sich mit Namen kennt. Von daher nichts Außergewöhnliches. Die Rose sah ich in diesem Fall aber als klugen Schachzug: Sie wird sie oben sehen und sich an mich erinnern. Ob da Liebeskummer aufkommt? Ich weiß nicht. Vom Charakter her würden wir perfekt zusammen passen, finde ich. Aber sie hat vermutlich große Ideale vom starken, hübschen Man – und ich bin leider weder Ken noch Bruce. Ich frage noch schnell, ob sie nicht an einem zweiten Treffen interessiert sei. Sie bejahte kurz. Kein üb erschwingliches, stark begeistertes Ja, aber doch eine klare Zustimmung. Nun ist die Frage, was ich als Nächstes mache?

Edit: Schon wenige Tage später habe ich eine SMS auf meine Frage erhalten: „Nein danke habe ehe keine Zeit.“ Es war für mich ein schwerer Schlag. Ich war ihr so unwichtig, dass sie nicht einmal auf die Rechtschreibung achtete. Nicht viel später hat sie den Tanzkurs abgebrochen, weil sie keine Lust mehr hatte.

 

Keine Ahnung, was konkret zur Ablehnung geführt hat. Monate später unterhielt ich mich einmal mit einem Studenten über diese Vorkommnisse und er meinte, die Rose wäre ein Grund gewesen. Sie hätte sie abgeschreckt und man müsse immer unklar lassen, ob es sich um Liebe oder Freundschaft handelt. Ich hätte nicht gedacht, dass ich so direkt sein kann aber offenbar war ich wohl sogar zu sehr direkt. Ich wüsste wirklich gerne, warum es so gekommen ist. Aber hatte ich mir ernsthaft vorgestellt, sie wird meine Freundin? Zurückblickend kann ich darüber nur verbittert lachen. Ich verfalle immer wieder wohl nur Illusionen, die mir nichts als Kummer bereiten. Denn geliebt, das weiß ich, habe ich sie wirklich.

 

Edit 2: Mit 20 denke ich, dass ich mich damals viel zu sehr auf irgendwelche Tipps aus dem Internet konzentriert habe. Ich muss mehr auf mich zukommen lassen, aber ich neige dazu, wenn ich unerfahren bin. Es ist deswegen auch verzeihlich. Über den "Make-Up-Versuch" kann ich heute nur lachen.

Frühling 2013: Nur einmal gesehen, aber nie vergessen

Dieses Jahr noch werde ich 20 Jahre alt. Ich mache mir keine Illusionen, ich werde zwei Jahrzehnte alt sein ohne jemals eine realistische Chance bei irgendeinem Mädchen gehabt zu haben. Die Schule ist vorbei und die meisten Abiturprüfungen habe ich bereits absolviert. Ich habe jetzt Zeit. Ich habe so viel Zeit, die ich so gerne mit jemanden verbringen möchte. Aber da gibt es niemanden.

 

„20 und noch nie eine Beziehung“ hat weit über eine Millionen Suchergebnisse bei Google. Ich bin kein Einzelfall. Wie die andere damit umgehen weiß ich nicht. Öffentlich habe ich nur ganz selten jemanden getroffen, der oder die sagte er oder sie sei mein Alter und habe auch noch nie einen Freund bzw. eine Freundin gehabt. Vielleicht verfälscht Google die Ergebnisse durch die Werbung oder durch doppelte Sucheinträge? Mit 20 noch nie mit jemanden geschlafen zu haben ist unter Männern öfter Thema, kümmert mich aber nicht. Ich stelle mir Liebe noch schöner vor.

 

In der Zeit der Prüfungen und eigentlich auch in der Zeit davor habe ich mir keine Gedanken mehr über irgendwen gemacht. Es ist einfach hoffnungslos. Ich verfalle in Illusionen und die Realität bringt mich wieder zurück. Das Spiel geht ewig so weiter, doch setzte ich dem ganzen meist selbst ein Ende, indem ich mich ganz auf die Schule konzentriere. Das Problem ist: Ich habe keine Schule mehr und damit bis zu meinem noch fern liegenden Anfang meines Studiums nichts womit ich mich ablenken könnte. Ich kann nur hoffen, dass ich mich in den nächsten Monaten nicht verliebe.

 

Ich schaue nur noch und bleibe natürlich. Das Schauen würde ich so gerne einstellen, aber gegen Gefühle komme ich immer nur schwer an. Und so muss ich gestehen, dass ich letztens doch mehr geschaut habe, als mir lieb ist. Wobei das jeder verstehen könnte, wenn er dieses Bild vor Augen hätte. Das Bild eines wunderhübschen, blondhaarigen Mädchens mit einem bezaubernden Charakter. Es ist wahr, ich sage es nicht nur so. Und nein, ich bin nicht verliebt. Ich hoffe es zumindest. Soweit ich das einschätzen kann ist sie auch in festen Händen. Und wenn dann ausgerechnet in den Händen eines ziemlichen Idioten, der mir autoritärem Verhalten anderen fast respektlos entgegnet. Ich weiß nicht, ob es nicht sogar der Typ ist, mit dem ich mich mal aus absurden Gründen gestritten habe. Wenn dann hoffe ich, dass er es vergessen hat. Er ist jedenfalls ihr Tanzpartner, beide sind sehr fortgeschritten und ich wundere mich, dass sie unseren Kurs besuchten. Ich hätte allerdings nichts dagegen, wenn sie es wieder tun würden…

 

Äußerlich hätte ich sie auf nicht einmal 16 Jahre geschätzt. Doch sagte sie mir zum Schluss, sie sei 18. Der letzte Moment, in dem ich mich mit ihr nur kurz unterhalten habe, ist der Grund, weshalb sie mir jetzt nur schwer aus dem Kopf gehen will. Während der Tanzstunde konnte ich sie anzusehen ohne aufzufallen, denn sie machte Tanzfiguren vor, die wir nachzumachen hatten. Später in der Pause wechselte sie wenige nette Worte mit mir. Sie kam später einmal drauf zurück und das zeigt mir, dass sie sich gemerkt hat, was ich gesagt habe. Eine Erleichterung; Luft bin ich also nicht.

 

Ihr Tanzpartner und vermutlich fester Freund hat am Ende der Stunde jede Menge Leute aufgesammelt, die er nach Hause fahren wollte. Er ist 21 und hat einen Wagen. Zuvor wollte er noch mit ihr bei Marktkauf einkaufen und lief deshalb in die Richtung des Busbahnhofs. Ich blieb demonstrativ dann an der Station stehen. Er schaute nur kurz auf die Anzeige hoch und wandte sich schnell ab. Mitnehmen wollte er mich wohl nicht, aber es ist auch möglich, dass kein Platz mehr vorhanden war.

 

Sie aber blieb noch kurz an der Station stehen und fragte mich nach meinem Alter. Ich hatte sie nicht verstanden und antwortete mit meinem Namen. Sie lächelte und fragte noch einmal nach meinem Alter. Ich antwortete ihr und fügt scherzhaft hinzu: „Achso, Name ist egal!?“. Sie entgegnete lachend: „Danach hätte ich danach gefragt!“. Ich fragte noch nach ihrem Namen, der mir allerdings sofort entfiel. Die Aufregung mal wieder? Aber 18 ist sie. Das habe ich mir gemerkt. Warum fragte sie nur zuerst, warum überhaupt nach meinem Alter? Ich bin irritiert.


Ich hoffe sie kommt wieder. Warum sollte sie sonst nach meinem Namen und Alter fragen, wenn sie mich nie wieder sehen wird? Aber warum sollte sie wieder kommen, wenn sie doch schon viel weiter beim Tanzen ist? Ich hätte sie mal besser gefragt. Die Aufregung mal wieder?

 

Verdammt, bleib locker, du hast eh wie immer keine Chance! Das darf man sich nicht sagen, aber stimmen tut es insgeheim schon, leider.

 

Edit: Den Typen, der sie begleitete hatte habe ich nach dem Schreiben dieses Aufsatzes noch ein paar Mal gesehen, allerdings immer ohne sie. Ich wagte es nicht, ihn nach ihr zu fragen. Jetzt ist es eh zu spät. In wenigen Wochen habe ich meine letzte Tanzstunde, denn ich plane bald für mein Studium auszuziehen. Jetzt macht es eh keinen Sinn mehr. Ich werde sie nicht vergessen und sicher auch vermissen, obwohl ich auf sie nur ein einziges Mal treffen durfte…

 

Edit 2: Nie mehr wiedergesehen. Sehr schade, aber ich glaube, ich bin darüber hinweg. Vielleicht ist es auch nur die Gewohnheit am Schmerz.

Herbst 2013: Eigenartige Moment, der eigentlich keiner ist

Es gibt schon eigenartige Momente. Aber vielleicht ist er gar nicht so eigenartig. Denn es gibt viele, die die Ansicht vertreten, man treffe eher im Supermarkt seine große Liebe als in der Diskothek. Ich weiß nicht sicher, ob ich das glauben soll, aber bei mir ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich in der Diskothek mal was anderes machen werde als rumzusitzen (die Kurzfassung von: von der Garderobe direkt an die Bar zu laufen, ein wenig zu trinken und einsam zu rumzusitzen, ehe mich Freunde auffordern mit zu tanzen und mich dann ein wenig auf der Tanzfläche austobe, um dann aber doch wieder zurück zur Bar zu laufen und rumzusitzen) sehr unwahrscheinlich. Jemanden im Supermarkt anzusprechen erfordert schon viel Mut. Aber das ist immer nötig, wenn es ums "Ansprechen" geht.

 

Ich bin ausgezogen und obwohl ich in einer WG wohne und einen netten Mitbewohner habe, fühle ich mich ziemlich einsam. Ich bin deswegen jetzt nicht deprimiert und habe auch kein Heimweh, aber die sozialen Kontakte an der Uni sind alle sehr schwer zu erhalten. Ich habe schon einige kennen gelernt, manche auch bei facebook hinzugefügt oder mit ihnen Nummern ausgetauscht, aber der Kontakt wird dadurch nicht aufrecht erhalten, wenn man sich nicht mehr sieht. Und in der Uni trifft man sich nicht mal eben so. Folglich sitze ich bisher fast immer allein in der Mensa und immer neben anderen Leuten in der Vorlesung.

 

Was also tun? Nun, mein Plan war, ich ändere mich grundlegend. Ich will mich sympathischer und attraktiver machen. Das kann ich jetzt mit dem Auszug schon viel besser. Teil davon ist mit dem privaten Krafttraining zu beginnen. Das Equipment dafür habe ich mich schon zugelegt. Ich mag es nicht sonderlich, aber es muss wohl sein, um überhaupt eine Chance zu haben. Mit meinem Untergewicht hadere ich immer noch, aber das will ich demnächst auch direkt angehen.

 

Tja, aber nun schon der eigenartige Moment, der eigentlich keiner ist: Ich muss für mich jetzt natürlich ganz selbst sorgen und Einkaufen gehört dabei nicht zu den allerschönsten wöchentlichen Tätigkeiten. Sie aber könnte es ändern.

 

Als ich sie das erste Mal sah, fragte ich mich sofort, wie alt sie wohl sein mag. Ich hab selbst mal mit 16 in einem Supermarkt gearbeitet, da hieß es, man müsse volljährig sein, um an die Kasse zu dürfen. Nicht alle Ketten halten sich daran, vielleicht ist es auch kein Gesetz, sondern nur in manchen eine betriebliche Regel. Sie schaut für mich manchmal jünger als 18 aus, manchmal aber auch älter.

 

Ich will mich kurzfassen: Ich glaube, ich habe mich in sie verliebt. Und das ist nicht leicht, denn sie hat an der Kasse eine Funktion aus der sie nicht wegkommen kann. Wie also soll ich ihr näher kommen? Darüber habe ich mir so viele Gedanken gemacht und so viel gelesen.

 

Nicht alles fällt dabei auf fruchtbarem Boden. Ich bin noch in Phase 1 und teste es langsam. Als ich ihr sagte, sie solle ein Schild hochhalten, wo sie sitzt, damit ich leichter zu ihr finde (was als Witz gemeint ist) war sie verdutzt und fragte, ob ich nie zu den "Kollegen" gehen wollte. Sie sietzt mich außerdem noch, obwohl ich sie mittlerweile dutze. So alt kann sie doch gar nicht sein oder will sie auf Distanz gehen?

 

Sie hat blond gefärbtes Haar, blasse Haut, ist vermutlich noch Schülerin und hat einen sehr schönen Namen. Ich sah sie schon mit anderen Kunden lachen. Ich aber bin gelegentlich viel zu angespannt (zitternde Hände), um überzeugend bei ihr rüberzukommen. Starre auf dem Boden, obwohl ich weiß, dass ich sie anlächeln sollte. Ich schaffe es also selbst nicht, die Regeln zu befolgen.

 

Wobei ich lockerer geworden bin. Sie hat mich auch schon bemerkt, sagte letztens schon "Bis zum nächsten Mal". Ich gebe nicht auf, denn ich lasse mir viel Zeit. Und ich erwarte auch nichts. Ich würde sie nur so gerne näher kennen lernen!

 

Und da bin ich wieder, noch näher an der 20, aber immer noch genauso (hoffnungslos?) verliebt, wie eigentlich schon immer...

 

Edit: Irgendwann habe ich sie nicht wiedergesehen. Vermutlich hat sie den Job aufgegeben. Ich habe mich nie getraut, sie anzusprechen, auch wenn es manchmal so schien, als wolle sie mit mir sprechen, aber es nicht darf.


Edit 2: Ich habe sie wiedergesehen, sie arbeitet immer noch dort. Ich habe aber nie den Mut gefunden, sie anzusprechen, obwohl ich mir es immer vornahm. Sie wirkte nun auch zunehmend zurückhaltender. Letztendlich habe ich es aufgegeben.

Winter 2013: I understand. I will never be your Romeo, Julia.

American Beauty (Film)
American Beauty (Film)

 

Für eine kurze Zeit hatte sie mich glücklicher gemacht als ich es je war. Ich weiß, sie ist wie aus meinen Träumen. Aber irgendwann kam der Zeitpunkt, an dem ich schmerzlich einsehen musste,  dass sie das wohl bleibt.

 

Was soll ich sagen, schon wieder nichts als Worte in meinem Tagebuch. Es blieb und bleibt mir wohl immer nur die Phantasie. Vielleicht hätte ich in ihr bleiben sollen. Ich bin jedes Mal so verletzt, aber es ist diesmal mit nichts zu vergleichen.

 

Ich will eigentlich nicht viel über sie schreiben. Es ist überflüssig, weil ich vermutlich noch lange - auch ohne es zu wollen - Erinnerungen über sie mit mir tragen werde. Eine Beschreibung käme ohnehin nur einer Aufzählung von Vorzügen gleich. Was soll es mir schon bringen, es bricht mich nur noch mehr.

 

Es ist der 6. Dezember. Nikolaustag. Ich weiß nicht was ich mir dachte oder wieso ich es tat: Ich meldete mich wieder in einem Forum an, bei dem ich vor Jahren zuletzt angemeldet gewesen war und schrieb sie an. Sie hatte einen Beitrag geschrieben: "Suche jemanden (18-24) zum Schreiben". Ich hatte nicht mal in Erinnerung gehabt, dass ich sie angeschrieben habe, als ich eine Antwort erhielt.

 

Wir schrieben über Gott und die Welt und schienen so viel gemeinsam zu haben. Doch nachdem wir Bilder voneinander austauschten, meldete sie sich für ein paar Wochen erst mal nicht. Sie hatte wohl einen Ken erwartet, tja, leider bin ich keiner.

 

In den ersten Tagen schrieben wir uns sehr viel und häufig. Mit der Zeit nahm das ab und irgendwann meldete sie sich einfach gar nicht mehr. Sie hatte da jedoch bereits ihre Handynummer gegeben und ich rief bei ihr an. Mein Herz pochte so stark! Ich hatte mir eine Liste von Themen vorbereitet, vor Aufregung wäre mir sonst wohl nie was eingefallen.

 

Als ich sie um Silvester herum noch einmal anrufen wollte, schaltete sie ihr Handy einfach aus. Das hatte mich sehr deprimiert. Sie meldete sich dann auch nicht mehr im Forum. Irgendwie konnte ich das so jedoch nicht abschließen. Ich wollte wissen, warum sie sich nicht mehr meldet, wollte sie aber auch nicht bedrängen.

 

So rief ich erst einige Monate später ganz spontan unter einer anderen Nummer bei ihr an und fragte nach. Sie sagte, sie sei schwer krank gewesen und sie werde mir eine Nachricht schreiben. Ich hatte die Hoffnungen schon längst aufgegeben, besser hätte ich mir wohl nie welche gemacht, aber dass sie vor einer Klausur mit mir, einem immer noch Fremden eine halbe Stunde telefonierte, obwohl ihr die Schule so wichtig war, freute mich und ließ mich ein klein wenig wieder hoffen, dass der Kontakt nicht für immer abbrechen wird.

 

Einige Tage später fragte sie per SMS nach meiner E-Mail-Adresse. Sie hatte wohl schon die Zugangsdaten zum Forum verloren. Nachdem ich ihr meine schickte und wieder zwei Tage vergingen (nie hatte jemand so häufig meine Geduld herausgefordert), erklärte sie mir alles und etwas, was ich schon vermutet hatte, bewahrheitete sich: Sie hatte einen gefunden und ist nun vergeben.

 

Seit wann weiß ich nicht, aber ich denke, sie hätte mich davon schon irgendwie früher wissen lassen können. Frustriert schrieb ich zurück, warum sie mir das nicht schon früher gesagt hat. Eine wirkliche Antwort darauf bekam ich nicht. Nur eine Beteuerung, dass sie wirklich sehr schwer krank war und er ihr geholfen hat.

 

Ich kann ihr nicht böse sein, dass sie nun vergeben ist. Ich hätte nur gewünscht, sie würde mich darüber in wenigen Worten informieren. So habe ich monatelang rätseln müssen, was ich falsch gemacht habe und mir den Kopf zerbrochen, warum sie sich plötzlich wieder nicht mehr meldet.

 

Tja, Herz mal wieder gebrochen.

Frühling 2014: Nicht wieder.

Sie war auf der Suche nach einem echten Gentleman. Zumindest schrieb sie das in ihrer Suchanzeige. Das machte mich neugierig und ich schrieb sie an. Ich ahnte nicht, dass es wieder so enden wird.

 

Sie studierte Jura und hatte eine recht offene Art, mit der ich mich schnell anfreunden konnte. Wobei sie nach einigen Nachrichten wenige auf ihren Ausdruck achtete und manch sonderbare Dinge schrieb.

 

Aus der vorher gemachten schmerzvollen Erfahrung bat ich sie schon nach wenigen Nachrichten, sie möge mir bitte mitteilen, wenn sie vergeben sei und dass das alles kein Problem für mich ist. Dennoch sagte sie mir es erst als sie mit wem zusammen kam. Sie hatte sich nicht die Mühe gemacht, es zumindest danach aussehen zu lassen, dass sie jemanden erst date. Das wäre eine Lüge gewesen, aber ich hätte es nicht überprüfen können und es wäre nicht ganz so dramatisch geendet.

 

Schade für mich, dass es wieder so kommen musste. Trotzdem freue ich mich für sie.

2017: Warum bin ich immer noch Single?

Ich hatte noch keine Freundin.

Meine Freunde können mir nicht erklären warum. Aber das sagen Freunde dann immer, nicht wahr? 

 

Vielleicht bin ich einfach nicht der Typ bin, auf den Frauen so stehen. Vielleicht ist mein Leben nicht so spannend, dass es jemanden mit mir teilen will.

 

Ich denke, das Selbstvertrauen sehr wichtig ist aber gerade in der Hinsicht führe ich gelegentlich endlose Feldzüge gegen mich selbst. Manchmal kann mich einfach nicht gut ausstehen. Dann empfinde ich für jeden auf der Welt mehr als ich für mich selbst. Wenn man sich selbst nicht liebt, kann man auch nicht erwarten, dass es jemand anderes tut. Wir akzeptieren ohnehin auch nur die Liebe, die wir glauben zu verdienen.

Aber, ich gestehe, ich habe häufig auf einen Anruf oder einen Brief oder einen Blick von jemanden gewartet, um mich glücklich zu fühlen. Aber es kam niemals oder es scheint so, aber nicht wirklich. Und so verbringst du die Zeit in zerstreutem Bedauern oder in stiller Hoffnung auf etwas Gutes. Etwas was dir das Gefühl gibt mit allem verbunden zu sein, etwas Ganzes zu sein, sich erfolgreich und geliebt zu fühlen.

 

Weißt du, als ich noch klein war habe ich manchmal die komische Vorstellung gehabt, dass ich über meinem Körper schwebe und auf mich selbst herabschauen kann. Und ich habe schon immer gehasst was ich sehe. Mein Verhalten, mein Aussehen, die Art wie meine Stimme klingt. Ich war zu keiner Zeit der, der ich sein wollte. 

 

Ich habe dann geglaubt, dass ich nur weit weg muss, bin nach meinem Abi über 500 km weg gezogen aber letztendlich war es da auch nicht anders.

 

Aber so geht es ja vielen Menschen. Nur ein verwirrter Teil von mir mag gelegentlich den Gedanken, dass ich der Einzige bin mit wahren Problemen. Als würde mich das irgendwie besonders machen.

 

Ich habe damals schon keinen gehabt, der mich in den Arm nimmt und tröstet - daher brauche ich heute auch keinen, der mir Mut zuspricht. Ich würde das auch gar nicht verantworten wollen.

2019: Nothing will ever change

Ich weiß langsam nicht mehr weiter.

Nicht, dass ich mit dem Ziel, eine Freundin zu finden, auf Reisen gegangen bin, aber geträumt davon habe ich schon. Ich bin glücklich zwei Wochen lang die Westküste der USA entdeckt zu haben und ich habe die Reise so gemocht, dass ich schon im Flieger zurück die ein oder andere Träne nicht unterdrücken konnte. Es war ein unvergessliches Erlebnis.

Aber nun, wo ich wieder hier bin, sitze ich frustriert im Fitnesstudio und starre grübelnd Löcher in die Luft. Ich kann nicht begreifen, wie ich wieder alleine enden konnte. Das Mädchen, das mir gefiehl, hat sich lieber auf eine Affäre mit einem Typen eingelassen, der bereits eine Beziehung hat und ihm so zum Fremdgehen verholfen. Zweifellos hatte er seine Vorzüge: Charmant, sportlich, humorvoll - und viele weitere Eigenschaften, die ich gerne so besitzen würde. Doch wie traurig ist es, dass ich nicht einmal gegen jemanden ankomme, der ganz ungeniert seine Freundin betrügt. Nicht, dass ich das als einen schweren Konkurrenzkampf sehe, aber insgeheim empfinde ich es doch als eine Niederlage.

 

Das absurde ist, dass ich eigentlich die besseren und tiefgründigeren Gespräche mit ihr geführt hatte. Aber das scheint nicht das zu sein, was zählt.

 

Es ist so frustrierend, mir fehlen die Worte.

2019: Final Thoughts

Was wirkliche Liebe betrifft, so hatte ich leider nie das Glück. Ich denke nicht, dass es mich in meinen letzten Jahren noch hätte retten können. Aber ich kann nicht bestreiten, dass es mich  viele Jahre sehr belastet hat, daher kann ich es nicht unerwähnt lassen. Immer wieder habe ich auf den Moment in meinem Leben gewartet, geliebt zu werden, aber leider kam der nie oder nur dem Anschein nach.

In den letzten Jahren habe ich oft dagegen angekämpft, mein inneres, gelegentlich emotional schwaches "Ich" nach außen hin zu zeigen, nachdem ich erkannt habe, dass sich damit niemand jemals anfreunden kann. Denn wenn man sich selbst nicht liebt, kann man auch nicht erwarten, dass es jemand anderes tut. Vermutlich akzeptiert man auch nur die Liebe, die man glaubt zu verdienen. Es fiel mir nicht schwer selbstbewusster zu sein, ehrlich, ich wurde es mit den Jahren ohne mich groß verstellen zu müssen. Und doch hätte ich mir so gewünscht, dass ich ich bleiben darf und mich eines Tages jemand so nimmt, wie ich bin.

Ich zähle jetzt nicht all die Begegnungen auf, auf die ich so viel gesetzt hatte und doch immer so enttäuscht und verletzt wurde. Es gibt einige, die in meinem Herzen blieben, aber nicht in meinem Leben. Ich habe mich immer bemüht daran zu wachsen und daraus zu lernen. Es ist wichtig, mit sich selbst Frieden zu schließen und sich nicht jedes mal den Kopf zu zerbrechen. Und so war ich jahrelang in Hoffnung und habe auch versucht, das Beste aus mir zu machen.

Auf der anderen Seite war es so unglaublich kräftezehrend und frustrierend. Am Ende war es für mich unmöglich. Denn schlussendlich wäre es sehr schwer gewesen, mich wieder aufzufangen, denn nach all dem, was ich durchgemacht habe, hätte ich an wahrer Liebe sehr gezweifelt. Das wäre für keine Partnerschaft eine gute Basis gewesen.

Jetzt sollte ich froh sein, dass keiner neben mir steht. Die Gefahr wäre zu groß, dass ich sie mit in den Abgrund ziehen würde. Die letzten Jahre habe ich mir deswegen schon immer gesagt, dass ich davon wirklich Abstand nehmen muss. Denn wenn dann der Tag X kommt, an dem ich nicht mehr hier bin, wie wäre das für jemanden, der mich liebt? Vermutlich grausam. Das hätte ich nicht verantworten können.


Ich war mir immer sicher, dass meine Tage in diesem Universum gezählt sind. Es ist als ob ich meine Sanduhr zerschlagen hätte und die letzten Körner durch meine Finger rieseln. Ich habe es immer gespürt, dass es so kommen wird.